Samstag, 24. Januar 2009
 
Fremdenpolizei agiert bewußt rechtswidrig PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Michael Genner   
Sonntag, 10. Februar 2008

Von der Aufhebung rechtswidriger Schubhaftbescheide will sich die Sicherheitsdirektion nicht entmutigen lassen. "Weiter Schubhaft verhängen“, heißt die Devise. Ein Protokoll belegt  Absprachen zwischen „Unabhängigem“ Verwaltungssenat und Fremdenpolizei.


Brisantes Protokoll der Fremdenpolizei. Asyl in Not fordert Platters Sturz

Asyl in Not besitzt das Protokoll einer „fremdenpolizeilichen Besprechung“, die am 18. Dezember 2007 in der Sicherheitsdirektion Niederösterreich in St. Pölten stattgefunden hat. Dieses Protokoll zeigt, wie dreist Platters Polizei die Höchstgerichte missachtet. Und wie schamlos „unabhängige“ Verwaltungssenate (UVS) mit der Fremdenpolizei packeln.

Asyl in Not hat, seit das Prokop-Gesetz in Kraft getreten ist, die Verwaltungssenate mit Schubhaftbeschwerden eingedeckt. Es ging um (meist schwer traumatisierte) Flüchtlinge, die gleich nach ihrer Ankunft in Traiskirchen verhaftet wurden. § 76 Absatz 2 – der Schubhaftparagraph der verblichenen Prokop – macht’s möglich.

Alle Beschwerden wurden abgewiesen; alle trugen wir (mit Hilfe befreundeter Anwaltskanzleien) zu den Höchstgerichten. Der Verwaltungsgerichtshof hat uns in allen seinen Erkenntnissen Recht gegeben. (Während der Verfassungsgerichtshof zu feige war, um den Schubhaftparagraphen zu beheben).

Seit Anfang 2008 gewinnen wir auf einmal alle Haftbeschwerden schon beim UVS. Warum, darüber plauderte eine Dr. Adrienne Zakovsek (UVS Niederösterreich) auf der erwähnten fremdenpolizeilichen Besprechung vor rund 30 Beamten aus der Schule:

„Bis jetzt“, so Zakovsek, „hat der UVS beinahe alle Schubhaftbescheide gehalten. Auf Grund der Tatsache, dass die Bescheide des UVS beinahe zur Gänze vom VwGh aufgehoben wurden, wird der UVS diese Vorgangsweise nicht mehr beibehalten können.“

In diesen Fällen (Schubhaft auf bloßen Verdacht, es könnte ein anderer „Dublin-Staat“ zuständig sein), „gab es kaum einen Fall, den der VwGH nicht Auf gehoben hat. Es wird daher sehr schwierig werden, in den Fällen des § 76/2 die Schubhaftbescheide zu halten.“

Man muß sich das auf der Zunge zergehen lassen: Die UVSlerin (die von Amts wegen dazu da ist, Schubhäftlinge vor Verletzungen ihrer Menschenrechte zu schützen), referiert vor 30 Fremdenpolizisten und entschuldigt sich quasi dafür, dass sie deren rechtswidrige Bescheide nicht mehr, wie bisher, „halten“ können wird!

Die Sicherheitsdirektion bietet ihr, dem Protokoll zufolge, daraufhin an, „Daten der Sozialversicherungsträger zu beschaffen, wenn diese vom UVS für die Prüfung der Tragfähigkeit einer Verpflichtungserklärung benötigt werden.“

Auf deutsch: wenn ein Verwandter erklärt, der Häftling könne, falls er freigelassen wird, bei ihm wohnen. Dann kümmert sich die Polizei um seine Daten…

Zakovsek lehnt das Angebot keineswegs ab, sondern ersucht, „die relevanten Akten sofort mittels e-mail oder Fax zu übermitteln“. Sodann „bedankt“ sie sich „für die Zusammenarbeit“ und „schließt ihren Vortrag mit Weihnachtswünschen.“

Aber es kommt noch besser. Hofrat Mag. Reischer (Sicherheitsdirektion Niederösterreich), immer noch laut Protokoll:

„Die SID NÖ bedankt sich bei den Erstbehörden für die hervorragende Arbeit. Es wird betont, dass sich die Fremdenpolizisten nicht entmutigen lassen sollen. Wir werden nach wie vor Schubhaften verhängen und zwar auch in den Fällen des § 76/2 FPG.“

Das ist ungeheuerlich. Platters Hofrat Reischer weist also auf dieser Sitzung seine Beamten an, die Judikatur des Höchstgerichts zu missachten! Polizeiminister Platter trägt die volle Verantwortung für diesen Skandal.

Tatsächlich wurden bald darauf, im Jänner 2008, viele tschetschenische Flüchtlinge in Traiskirchen verhaftet, Familien auseinander gerissen, Väter vor den Augen ihrer Kinder wie Verbrecher abgeführt. Kriegstraumatisierte Frauen brachen zusammen, eine unternahm einen Selbstmordversuch.

Wie gesagt: Alle diese Schubhaftbescheide wurden in kürzester Zeit dank unseren Beschwerden für rechtswidrig erklärt. Selbst der UVS Niederösterreich folgt mittlerweile, ganz gegen sein Herz, der Judikatur des VwGH.  

Die Fremdenpolizisten beschwerten sich auch laut diesem Skandalprotokoll, dass sie „bevormundet“ werden. Damit sei der Erlaß gemeint, dass sie die Zustimmung der Sicherheitsdirektion einholen müssen, „bevor sie Zwangsmaßnahmen mit Familienbezug verhängen dürfen.“

Ein weiterer Vertreter des Innenministeriums, Mag. Mantler, beruhigte sie jedoch: Grund für diesen Erlaß sei „keinesfalls die mangelhafte Qualität“ ihrer Arbeit. Grund für diesen Erlaß sei nur, dass „Fälle mit Familienbezug üblicherweise von den Medien aufgegriffen werden (siehe Zogaj und Zequaj)“. Und da wären „Zwangsmaßnahmen mit Familienbezug“ (auf deutsch: Abschiebungen gut integrierter Familien) doch besser von oben zu koordinieren…

Asyl in Not verlangt eine Reform der Beamtenschaft an Haupt und Gliedern. Leute wie Platters Hofrat, die so offenkundig rechtswidrige Weisungen erteilen, sind untragbar. Und der UVS Wiener Neustadt gehört durch eine echte, unabhängige Kontrollinstanz ersetzt, die nicht erst vom Höchstgericht zur Einhaltung der Menschenrechte gezwungen werden muß.

Aber vor allem: Der Fisch stinkt vom Kopf. Polizeiminister Platter muß weg. Jetzt sofort. Er ist eine Gefahr für die Sicherheit der Menschen in diesem Land.

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